Das Mirenhaus vom Kleinen Ravensberg

Dieser turmartige Bau mit der sonderbaren Außentreppe war mir schon vor Jahren aufgefallen, aber erst vor kurzem habe ich nachgeforscht, was es damit auf sich hat: Das Mirenhaus auf dem Kleinen Ravensberg bildete den südlichen Punkt einer Achse, die „Observatorium für Winkelmessungen“ genannt wurde. Mittelpunkt war der 1893 gebaute Helmert-Turm auf dem Telegrafenberg. Den nördlichen Punkt bildete die Nordmire im Königswald bei Nedlitz.

Mire kommt aus dem Lateinischen und heißt soviel wie „auffallend“. In der Geodäsie (Erdwissenschaften) steht der Begriff für ein Eichziel. Die Nord- und die Südmire waren so etwas wie Leuchttürme. Das Licht der oben angebrachten Lampen wurde optisch so stark gebündelt, dass man vom Helmert-Turm aus bei Tag und Nacht ein Funkeln sehen konnte. Die insgesamt acht Kilometer lange Lichtachse lag genau in Nord-Süd-Richtung.

So oft es ging, vermaßen die Forscher des Preußischen Geodätischen Instituts vom Helmert-Turm aus mit einem hochpräzisen Winkelmesser die Position der Miren. Es war Ziel der Forschung, damit eine Verlagerung der Rotationsachse der Erde oder eine Änderung der Erdrotation nachzuweisen, sofern sie tatsächlich erfolgt. Auch die Form der Erde und die Abplattung der Pole wurden untersucht.

Das Preußisch Geodätische Institut in Potsdam war in der Kaiserzeit weltweit führend. Mit der Niederlage Deutschlands im 1. Weltkrieg verlor Potsdam jedoch seine Stellung als „Zentralbüro“ der internationalen Weltvermessung. Für das geodätisch-astronomische Observatorium mit dem Helmertturm mussten neue Aufgaben gesucht werden.

Nun wurde dort der Zentralpunkt der preußischen und deutschen Landvermessung (Triangulation) eingerichtet. Was Greenwich für die Zeit ist, das war Potsdam fortan für den Raum. Jeder, der im Deutschen Reich ein Grundstück kaufen wollte, hatte sich bei der Vermessung am Nullpunkt in Potsdam zu orientieren. 1944 erstreckte sich das Netz der Messpunkte vom Atlantik bis zum Ural und vom Nordkap bis nach Persien.

Die Amerikaner fanden die Akten dazu in Thüringen und nahmen sie 1945 in ihre Zone mit. Sie wurden später vom Institut für Angewandte Geodäsie in Frankfurt am Main übernommen, heute Bundesamt für Kartographie und Geodäsie.

Nach 1945 erfolgte eine Neuberechnung des Zentraleuropäischen Netzes. Dabei wurde der Helmert-Turm zum Ausgangspunkt für das „Europäische Datum 1950“. Dieses war bis in die 1990er Jahre die geodätische Grundlage des Kartenwerkes der NATO.

Ab 1968 nutzten die sozialistischen Staaten den Helmert-Turm für die Triangulation. Die Miren hatten da bereits ausgedient, ihre Funktion übernahmen Satelliten als „Hochziele der Geodäsie“. Noch bis 1990 stand ein Teleskop für die Satellitenvermessung auf dem 15 Meter hohen Helmert-Turm. Seitdem gibt es auch für ihn keine Verwendung mehr.

Wissenschaftler starteten 2015 eine Spendensammlung für den Erhalt des denkmalgeschützten Bauwerks. Sie wollen auch die beiden Miren erhalten und sanieren. Für das Mirenhaus in den Ravensbergen ist es fünf vor zwölf. Die Bausubstanz ist durch Witterung und Vandalismus bereits schwer geschädigt.

Keine Filmkulisse: Werkhalle bei Orenstein & Koppel

Eigentlich waren die Filmkulissen der neuen „Berliner Straße“ in Babelsberg das Ziel dieser Entdeckungstour, doch Studio Babelsberg versteckt Europas größtes und modernstes Außenset vor neugierigen Blicken.

Trotzdem bietet sich von der Ahornstraße aus ein spannendes Bild. Dort steht eine Wand aus Pappmaschee vor der echten Lokomotivbau-Halle. Ich kenne die Losung am Giebel noch aus meiner Schulzeit, 1980 führte unser Weg zum Produktionsunterricht daran vorbei. Die riesige Inschrift ist mir in Erinnerung geblieben, denn sie wirkte zu jener Zeit schon ziemlich angestaubt.

Die heute auffällig schwache „Fünf“ war damals noch von einer „Sieben“ übermalt, aber die Farbe deckte nicht richtig. Die Übermalung ermöglicht die zeitliche Einordnung, denn in der DDR gab es nur einen einzigen Siebenjahrplan, und zwar von 1959 bis 1965: Die Produktion von Lebensmitteln und Konsumgütern für die eigene Bevölkerung sollte innerhalb dieser Zeit den westdeutschen Pro-Kopf-Verbrauch übertreffen. Daraus wurde bekanntlich nichts und der Siebenjahresplan musste bereits 1963 ausgesetzt werden.

Die Halle gehört zu den denkmalgeschützten Gebäuden auf dem historischen Werksgelände von Orenstein & Koppel in Babelsberg. Ich denke, dass die originale Parole in den letzten Jahren nachgemalert wurde und dabei die „Sieben“ ganz verschwunden ist.

Ab 1900 war der Lokomotivbau am Standort ansässig. Auch bald nach Kriegsende wurden wieder Dampflokomotiven repariert und gebaut. Das Unternehmen erfüllte anfangs vor allem Reparationsforderungen der Sowjetunion. Ab 1948 bekam Orenstein & Koppel den Namen VEB Lokomotivbau „Karl Marx“. Ab 1950 wurden die ersten Dieselloks hergestellt. Im Zuge der Arbeitsteilung unter den sozialistischen Ländern musste die DDR den Lokomotivbau 1970 jedoch ganz einstellen. In Babelsberg wurden in der Folge Klimaanlagen und ab Mitte der 1970er-Jahre Autodrehkrane produziert.

Und so sieht die „Berliner Straße“ aus.

Haus ohne Fenster: Das Reichsfilmarchiv

Hochbunker des Reichsfilmarchivs. Foto: Bolko Bouché

Fünf dieser Hochbunker wurden 1941 in der Kohlhasenbrücker Straße 106 in Potsdam errichtet. Sie dienten der Auslagerung von wertvollem Filmmaterial aus dem 1935 in Berlin-Dahlem eingerichteten Reichsfilmarchiv.  Die offizielle Gründung in Dahlem vollzogen Adolf Hitler und Reichspropagandaminister Joseph Goebbels persönlich, zuvor hatte es in Deutschland kein zentrales Filmarchiv gegeben.

Die Verlagerung des Archivs an den Ufa-Standort Babelsberg war schon länger geplant, sie verzögerte sich jedoch wegen der Kriegsvorbereitungen. Der neue Standort wurde unter militärischen Aspekten gewählt: Das Archiv lag zwei Kilometer von der Ufa entfernt, damals mitten im Wald. Über 17.000 der  feuergefährlichen Nitrofilme lagerten in fünf einzeln stehenden Hochbunkern.  Kurz vor Kriegsende wurde ein Teil davon – sechs Waggonladungen – in den Kalksteinbruch Rüdersdorf evakuiert. Diese Filme überstanden zwar das Kriegsende, verbrannten wenig später jedoch durch eine Fahrlässigkeit der Sowjets. Über 6000 Filme des Babelsberger Archivs wurden durch die Sowjetunion als Beutekunst beschlagnahmt und mitgenommen. Später gelangten viele dieser Filme als Kopie in die DDR zurück.

Ein Teil der historisch bedeutsamen Filmrollen lagerte auch noch nach 1945 unangetastet im Reichsarchiv Kohlhasenbrücker Straße, das 1955 als Filmarchiv der DDR weitergeführt wurde. Dazu gehören zwischen 1942 und 1944 entstandene Dokumentationen über Personen des öffentlichen Lebens sowie Wochenschauen in Farbe. Die Filmbestände wurden 1990 an das Bundesfilmarchiv in Berlin übergeben. Das Grundstück wird heute durch das DRK mit einer Behindertenwerkstatt genutzt. Damals wie heute in Betrieb ist das Empfangsgebäude an der Straße.

 

Wilhelm Schmids Etappenhaus in der Böcklinstraße

Etappenhaus von Wilhelm Schmid, Böcklinstraße 15-16. Foto: Bouché

Bis zum 27. Januar 2019 zeigt das Potsdam Museum noch die Sonderausstellung „Umkämpfte Wege der Moderne. Wilhelm Schmid und die Novembergruppe“.

Das machte uns neugierig auf das Wohnhaus des Schweizer Malers und Architekten, das dieser für die Eigennutzung entworfen hat. Die Villa Böcklinstraße 15-16 wurde in drei Bauphasen 1922-1923, 1927-1930 und 1934-1935 errichtet. Deshalb sprach Schmid auch von einem Etappenhaus. Schmid hatte zunächst für das gesamte Haus die Planung gemacht, ließ sich die einzelnen Bauetappen dann aber wegen der „schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse“ abschnittsweise genehmigen.

Die Villa wurde im Stile eines italienischen Landsitzes errichtet. Es war von Anfang an vorgesehen, das gesamte Gebäude als Künstlerhaus zu nutzen. Mit einem großen Musiksaal zum Garten hin war es dann auch für kurze Zeit ein beliebter Treffpunkt der Potsdamer Avantgarde-Künstler. Die letzte Umbauphase beinhaltete aber bereits die Aufteilung in drei Wohnungen mit der Option, Teile zu vermieten oder zu verkaufen.

Schmid gehörte der revolutionären Novembergruppe an und galt bei den Nazis als Kulturbolschewist. Seine Werke erklärten sie zu entarteter Kunst. Der Künstler bewohnte das Gebäude gemeinsam mit seiner jüdischen Ehefrau Miriam Eleonore (genannt Maria) Schmid, geb. Metz, die eine Sängerin war. Sie nahm nach der Hochzeit mit Schmid die Schweizer Staatsbürgerschaft an und konnte dadurch 1937 zusammen mit ihrem Mann ausreisen.

Das 2008 sanierte Gebäude steht unter Denkmalschutz.

Ein Sommerhaus unter Denkmalschutz

Sommerhaus Alexander in Groß Glienicke. Foto: Bolko Bouché

Es ist keine Villa, sondern ein schlichtes Holzhaus, das Denkmalstatus erreicht hat: Das Haus Alexander am Ufer des Groß Glienicker Sees. Schützenswert ist es wegen seiner „kulturellen und historischen Bedeutung“, sprich wegen seiner früheren Bewohner.

Dr. Alfred Alexander war prominent. Der Präsident der Berliner Landesärztekammer behandelte Albert Einstein, Marlene Dietrich und Max Reinhardt. Wie viele andere Hauptstadtbewohner begeisterte er sich für ein Sommerhaus – Groß Glienicke wurde für sie in den 1920-er Jahren zu einem bevorzugtes Siedlungsgebiet.  Alexanders Sommerhaus auf dem Weinberg am Gut war als „Platz für die Seele gedacht, naturverbunden und viel bescheidener als die 22-Zimmer-Stadtwohnung in der heutigen Bundesallee in Berlin. Es gab neun kleine Räume, die Zimmer für den Chauffeur und ein Kindermädchen schon mitgezählt.

1936 flüchtete die jüdische Familie mit ihren vier Kindern vor den Nazis nach England. Wie es mit dem Haus dann weiterging, hat Thomas Harding in seinem Buch „Sommerhaus am See“ dargestellt. Er hatte 2013 das Haus seiner Urgroßeltern besucht, hörte vom bereits beschlossenen Abriss und konnte ihn gerade noch verhindern. Er gewann seine weit verzweigte Familie für die Unterstützung. Aktuell wird das inzwischen unter Denkmalschutz gestellte Haus für 300.000 Euro restauriert, davon sind 40 Prozent Fördermittel. Geplant ist die Nutzung als internationale Begegnungsstätte und Zentrum für den interreligiösen Dialog.

Das Katharinenholz: Postbeamte lebten hier gefährlich

Wälle und Geschossfang am Katharinenholz. Foto: Bolko Bouché

Über 200 Jahre ist der Schießplatz im Katharinenholz bei Bornim alt. Angelegt wurde er ab 1810 für das 1. Garderegiment zu Fuß, im Laufe der Zeit bekamen aber immer mehr Einheiten dort ihre Schießausbildung. Um 1900 gab es acht Schießbahnen von 300 und 600 Metern Länge.

Höhepunkt im Ausbildungsjahr war das Adlerschießen, das unter Beteiligung von Kaiser Wilhelm II. immer im August oder September stattfand. Zuerst der Kaiser selbst, dann die Prinzen und die Offiziere. Sie schossen mit verschiedenen Jagdbüchsen auf eine an einer Stange befestigte Adlerscheibe. Schützenkönig wurde, wer den Rumpf abschoss.

Weil es immer wieder Beschwerden wegen umherfliegender Geschosse gab wurden ab 1872 die ersten Geschossfänge aufgebaut. Anfangs waren das noch einfache, sieben Meter hohe Erdwälle. 1890/1891 folgten die ersten massiv gemauerten Geschossfänge. Aber sie reichten noch nicht aus. 1906 wurde ein Postbeamter bei einem Übungsschießen am Oberschenkel getroffen. Daraufhin wurden zwischen 1906 und 1909 die Geschossfänge erhöht und verbreitert. Auch wurde das Übungsgelände eingezäunt und durch einen Wächter gesichert.

Noch bis 1960 wurde der Schießplatz genutzt, zuletzt von den Russen. Sprachkundige können an manch alter Buche noch die Namen von Soldaten entziffern. Heute nutzen Mountainbiker die Anlage als Crossstrecke und die Wälle als Sprungschanzen.

In der Roten Kaserne trifft Fridericus Rex auf Kaiser Wilhelm

Rote Kaserne Potsdam, Montierungskammer. Fotos: Stefan Specht

Nanu, da passt doch etwas nicht zusammen: Eine barocke Figurengruppe auf einem Backsteinbau aus der Kaiser-Wilhelm-Zeit. Des Rätsels Lösung ist leicht gefunden. Wir sind in der ehemaligen Kaserne der Gardefeldartillerie an der Nedlitzer Straße.  Das Gebäude in der Friedrich-Klausing-Straße 5 wurde im Jahre 1895 als Montierungskammer errichtet. Dort lagerte die Ausrüstung für Pferde und Reiter sicher und trocken.

Die Figurengruppe auf dem Dachsims stammt bereits aus dem Jahr 1773 und zeigt reitende Artillerie, die Initialen von Friedrich II. (FR für Fridericus Rex) und die Krone. Die Sandsteinplastik hatte ursprünglich ihren Platz auf der Kaiser-Alexander-Kaserne am Berliner Kupfergraben und wurde beim Umzug des 4. Garde-Feldartillerie-Regiments nach Potsdam mitgebracht. Es war Eile geboten, denn die an der Spree gelegene Kaserne wies schwere Gründungsmängel auf und musste 120 Jahre nach ihrem Bau abgerissen werden.

Betrachten wir die Figuren genauer. Zu sehen sind ein Tambourmajor (links) und ein Artillerist in kämpferischer Pose. Der Tambourmajor weist auf den Stein mit der Krone und grüßt damit den Schlachtenlenker. Eigentlich verwendete er seinen Stab, aber die Plastik war beschädigt und wurde bei der Restaurierung bewusst nicht komplettiert. So ist auch vom Arm nur ein Stumpf erhalten. Die Kanone des Artilleristen ist schussbereit, Kampfeslärm lässt das Pferd scheuen. Der Trommler ist vielleicht schon gefallen, sein Instrument liegt am Boden.

Sollte es sich zufällig ergeben, so lohnt ein Blick in das heutige Wohnhaus. Um Tageslicht in das fast quadratische Gebäude der Montierungskammer holen,  schnitt der Architekt einen überdachten Innenhof heraus, von dem aus die Apartments über Laubengänge erreicht werden können. Das dreigeschossige Bauwerk wurde im Jahr 2008 durch die Firma Terraplan saniert und als Wohneigentum verkauft.

Barocke Figurengruppe von 1773.

Die russische Fahrschule in der Garde-Ulanen-Kaserne

Garde-Ulanen-Kaserne, Mauer zum Voltaireweg. Foto: Bouché

Die Spuren der Sowjets sind rar geworden in Potsdam, aber in der Garde-Ulanen-Kaserne in der Jägerallee haben an der Mauer zum Voltaireweg Wandmalereien überlebt. Zu DDR-Zeiten war die Kaserne je zur Hälfte Schule für rund 1000 Offizierskinder sowie Militärgericht mit Militärstaatsanwaltschaft und Gefängnis. Die zahlreichen ehemaligen Pferdeställe wurden durch den Fuhrpark nebst Fahrschule genutzt. Die letzten Soldaten räumten 1994 das Gelände.

Schon 1977 wurde die Kaserne unter Denkmalschutz gestellt. Das Mannschaftsgebäude aus gelbem Glindower Klinker mit seinen Zinnenkränzen und dekorativen Wehrtürmchen hatte etwas Monumentales, strahlte Macht und Ritterlichkeit aus. Es wurde 1874 bis 1876 für das 3. Husarenregiment errichtet. Außerdem bekam die Reitertruppe ein Pferdelazarett, eine Reithalle und besagte Pferdeställe. Der Stall am Voltaireweg wurde 1879 als letzter gebaut. 120 Pferde fanden hier Platz.

1918 wurden die Garde-Ulanen demobilisiert. Jetzt zogen hier die Schutzpolizei Potsdam sowie weitere Polizeieinheiten ein. Damals begann der Umbau der Pferdeställe zu KFZ-Garagen, es wurden Wände durchbrochen und Tore eingebaut. Später entstanden Reparaturgruben, Tankstellen, Öllager, eine Batterieladestation u.s.w.

Ab 1937 wurde das Areal als „Hindenburg-Kaserne“ wieder militärisch genutzt. Dort war das Infanterie-Regiment 9 stationiert, das als Eliteeinheit der Wehrmacht in vorderster Linie stand. Wegen des hohen Anteils an adligen Offizieren wurde das Regiment auch „Graf Neun“ genannt. Unter ihnen waren Henning von Tresckow und weitere Verschwörer des Staatsstreichs vom 20. Juli 1944.

Heute ist das Mannschaftsgebäude ein Bürohaus, das Oberstufenzentrum 1 (Technik) und verschiedene Unternehmen haben die Nebengebäude bezogen. Die früheren Pferdeställe sind ebenfalls Büros oder Wohneigentum. Alles ist komplett saniert – bis auf ein kleines Stück Fahrschulmauer am Voltaireweg.

Wohnen in der alten Jutespinnerei

Die Jutespinnerei in der Friedrich-List-Straße 2. Foto: Bouché

Das Haus hatte ich ganz anders in Erinnerung – als gelben Klinkerbau, Glindower Ziegel, mit den Jahren angegraut und ungenutzt. Die alte Jutespinnerei  in der Friedrich-List-Straße 2 ist Potsdams ältester Industriebau. Er wurde 2017 durch die Jutespinnerei Potsdam Vermögensverwaltungs GmbH & Co. saniert und als Wohneigentum verkauft. Weitere 400 Wohnungen sollen in den nächsten drei Jahren auf dem weitläufigen Werksgelände entstehen. Potsdam wächst wirklich rasant, bis 2020 wird die Einwohnerzahl Potsdams wohl von 175.000 auf 180.000 steigen.

1862 wurde mit dem Bau der Jutespinnerei auf der Gemarkung Neuendorf begonnen. Die Weberkolonie Alt Nowawes war damals in einer schlimmen Krise, denn die Maschinenware war besser und billiger als Handarbeit. Viele Weber wurden arbeitslos, da kam die Jutespinnerei der Gebrüder Arntz und Busch höchst willkommen. Um 1890 stellten 300 Beschäftigte dort Garne und grobes Gewebe zum Beispiel für Säcke her. Die Jutefasern kamen aus Amerika, Russland und Indien mit dem Schiff, wurden in Hamburg auf Lastkähne umgeladen und gelangten schließlich über die Nuthe bis aufs Werkgelände.

1920 musste die Jutespinnerei und Weberei AG Insolvenz anmelden. Es folgte eine Zeit unterschiedlicher Gewerbenutzungen – zuletzt zu DDR-Zeiten als Lager für „Waren des täglichen Bedarfs“. Nach jahrelangem Leerstand wurden 2006 die Fabrikhalle, das Maschinenhaus und weitere Nebengebäude abgerissen. Die Fabrikantenvilla und das Fabrikgebäude, das mit Türmchen und Zinnen an eine Burg erinnert, blieben erhalten.

 

 

Das Invalidenheim am Bahnhof Griebnitzsee

Ehemaliges Invalidenheim der Kaiser-Wilhelm-Stiftung in Potsdam.

Ein französisches Barockschloss in Potsdam? Mitnichten. Der Backsteinbau in der August-Bebel-Straße 88 ist ein ehemaliges Invalidenheim der Kaiser-Friedrich-Wilhelm-Stiftung. Heute gehört es zum Hasso-Plattner-Campus.

Gedacht war es für die Kriegsversehrten aus dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Architekt könnte Otto March gewesen sein, der Vater von Werner March (Architekt des Olympiastadions in Berlin). Anlass zu der Vermutung ist die Ähnlichkeit zur Siemensvilla in Neufahrland, aber nicht einmal das Landesamt für Denkmalpflege weiß es genau. Auch für das Baujahr werden unterschiedliche Angaben gemacht. Das Landesamt meint „um 1890“, die Potsdamer Neuesten Nachrichten legen sich auf das Jahr 1902 fest. Der Denkmalführer Dehio schreibt „um 1900“ und das ist wohl richtig. Denn eine im Juni 1901 abgestempelte Postkarte „Gruß aus dem Invalidenheim“ zeigt den fertigen Bau mit Neuanpflanzungen.

Das Gebäude diente nach dem 1. Weltkrieg zeitweilig als Lungensanatorium und Altersheim der Gemeinde Nowawes. Nach dem 2. Weltkrieg wurde es durch die Rote Armee für die Potsdamer Konferenz beschlagnahmt, war ab 1952 Reichsbahnamt und wurde 2004 aus dem Bundesvermögen an die Hasso-Plattner-Förderstiftung verkauft, die sich mit Risikokapital an erfolgversprechenden IT-Gründungen beteiligt.